Das Publikum folgt dem Exkurs von Steffi Weit

20 Jahre Lotsendienst Teltow-Fläming

Eine Feierstunde mit dem Appell für den Erhalt in der Fläche

Mit einer Festveranstaltung im Landgasthof Jüterbog wurde das 20-jährige Wirken des Lotsendienstes Teltow-Fläming gewürdigt. Seit 2007 ist Steffi Weit die Verantwortliche für diese Existenzgründerberatung, zunächst bei der Struktur- und Wirtschaftsförderungsgesellschaft des Landkreises, ab 2012 als integrativer Bestandteil der Kreisverwaltung. Sie begrüßt die Gäste mit der Aufforderung „Pojechali!“ – russisch für „Los geht’s!“, also passenderweise mit dem Satz, den Juri Gargarin vor seinem Aufbruch in den Weltraum verwendete.

Steffi Weit ist das Gesicht des Lotsendienstes TF

Bei Landrätin Kornelia Wehlan bedankt sie sich für die Trägerschaft durch den Landkreis und dafür, dass sie selbst regelmäßig auf den Veranstaltungen präsent ist. Die Landrätin, soeben von einem Termin bei der Volkssolidarität kommend, bescheinigt der Gründerberatung genau diesen Solidaritätsgedanken, die mit Know-how Gründungswillige aus allen Lebenslagen in die Selbstständigkeit begleitet. Sie würdigt diese Arbeit über viele Jahre, insbesondere die Rolle von Steffi Weit: „Dieser Lotsendienst steht und fällt mit einer Person.“

Landrätin Kornelia Wehlan gratuliert zum Jubiläum

Im Hinblick auf die Pläne des Landes Brandenburg, die erfolgreiche Arbeit über die Kreisebene nicht fortzusetzen, rät die Landrätin, gemeinsam die Stimme zu erheben. Nicht von ungefähr habe Teltow-Fläming die meisten Existenzgründer im Landesdurchschnitt. Auch Dezernent Siegmund Trebschuh, dem Steffi Weit bescheinigt, seit 15 Jahren „an vorderster Front“ für den Lotsendienst zu stehen, unterstützt das Anliegen.

Allein die Zahlen (560 Gründungen, 75 Prozent durchschnittliche Gründungsquote, nur etwa 3500 Euro Aufwand pro Gründer) sprächen für den Erhalt des Lotsendienstes in der Fläche. Inzwischen haben insgesamt 13 (!) Landräte und Oberbürgermeister einen gemeinsamen Brief mit dieser Forderung an das Wirtschaftsministerium verfasst.

Als glühender Verfechter der Integration von Wirtschaftsförderung in die Verwaltung verweist Siegmund Trebschuh darauf, dass auch die Arbeitsmarktförderung (inklusive Lotsendienst) schon frühzeitig hier angesiedelt wurde. Ein Erfolgsrezept mit Synergieeffekten, das inzwischen auch auf Landesebene praktiziert werde. *

Das Publikum folgt dem Exkurs von Steffi Weit

Auf drei Bausteinen basiert der Erfolg, merkt Steffi Weit an, und lässt Vertreter der drei Gruppen zu Wort kommen. Dazu zählt das gut funktionierende Netzwerk aus Bürgschafts- und Investitionsbank des Landes, Industrie- und Handwerkskammern (IHK, HWK), Arbeitsagentur und Jobcenter sowie Ehemalige als Mentoren.

Für die Netzwerkpartner kam unter anderem das Luckenwalder Jobcenter zu Wort, das den Lotsendienst für Teilnehmer, die sich selbst auf den Weg machen wollen, als ersten Ansprechpartner benennt. Als wesentlicher Partner wurde auch Dr. Matthias Kirbach von der Wirtschaftsförderung Brandenburg begrüßt. Klaus Wessels von der HWK Potsdam, früher selbst bei einem Lotsendienst tätig, blickt auf 15 Jahre Zusammenarbeit mit Frau Weit zurück.

Steffi Weit mit „Zeichnen Sie Ihre Geschäftsidee“, eine Idee von Coach Volkmar Redlich

Aus dem Kreis der Beratenden waren Stefanie Demmler und Hendrik Hübner vor Ort, die in den 20 Jahren mehr als 1000 Gründer betreuten. Volkmar Redlich gehört seit 2008 zum Team, ihm macht die Arbeit mit der „hochmotivierten und unkonventionellen“ Steffi Weit viel Spaß. Probleme würden immer im Sinne der Gründenden gelöst.

Annett Rose-Schneider hat sich auf Heilberufe und den ländlichen Raum spezialisiert, und war an der Gründung einiger der 18 Physiotherapiepraxen beteiligt. Weitere Mitstreiter lobten die persönliche und menschlich gut funktionierende Betreuung, die effizient ist und dennoch Vertrautheit schafft.

Sehr persönlich fiel in vielen Fällen auch das Fazit der Gründerinnen und Gründer aus, die Frau Weit als dem „Gesicht des Lotsendienstes“ allesamt Dank aussprachen. So bei Nadja Kostezka, die als Logopädin arbeitet und schon beim ersten telefonischen Matching begeistert war, obwohl die Schnellsprecherin Weit fast ihre Kundin sein könnte. Sie buchstabierte ihr „DANKE“ mit Worten von Durchhaltevermögen bis Ehrgeiz.

Gründerin Nadja Kostezka bedankt sich für die Unterstützung

Jeanette Böttcher erfüllte sich mit dem eigenen Kosmetikstudio ihren Traum aus dem Teenageralter. Julia Reiswig arbeitet seit 2019 als Fotografin, und darf ihr Können direkt an dem Abend unter Beweis stellen. Kerstin Günther vom gleichnamigen Sanitätshaus in Luckenwalde, die 2014 über die IHK zur Gründungsberatung stieß, sagt: „Ich bereue nichts, keinen Tag.“

Auch Tobias Mehrländer mit seinem Pelikan-Kaffee, Magdalena Runge als Familienbegleiterin oder Janka Pirscher als mobile Augenoptikerin stellen sich als erfolgreich Existenzgründungen vor. Letztere war 2018 für den Unternehmerinnenpreis des Landes Brandenburg nominiert. Noch in der Gründungsphase befindet sich dagegen Ellen Mickel-Szameit. Sie will Lebenshilfe für Senioren anbieten, nach ihren eigenen Ansprüchen und nicht nur mit dem Abarbeiten von Standards.

Dr. Dagmar Grütte (links) war die allererste von Frau Weit betreute Gründerin

Als erste Existenzgründerin, die Steffi Weit (in einem Vorläufer-Projekt) betreute, war Dr. Dagmar Grütte eingeladen. Die Chemikerin hatte ihre Anstellung bei der Akademie der Wissenschaften der DDR verloren. Im Coaching wurden ihre besonderen Talente „herausgekitzelt“, darunter die Begabung für Jugendbildung, schriftliche Fähigkeiten und naturwissenschaftliches Interesse. Im Jahr 2000 machte sie sich mit dem Schreiben technischer Texte selbstständig. Humor, Selbstbewusstsein und Freundlichkeit gehören zu ihren Rezepten.

Mit weiteren Fakten und Anekdoten aus den 20 Jahren rundete Steffi Weit das Programm ab, bevor Daniel Glinga-Gutwald vom Landgasthof die Bewirtung der Gäste übernahm. Und so wunderte es niemanden, dass auch er einst über den Lotsendienst in seine erste Selbstständigkeit gegangen war.

Artikel in der Märkischen Allgemeinen vom 6. November 2021

Text und Bilder: Gerald Bornschein