Neues Verfahren für Prothesen
Luckenwalde • Vor fünf Jahren startete Stefan von Essen mit seiner Geschäftsidee, lebensechte Prothesen herzustellen. Er hat selbst Orthopädietechniker gelernt, war jedoch lange Zeit als Make-up-Artist im Filmgeschäft und im Vertrieb für Silikonprodukte unterwegs. Seine Fertigkeiten, das tiefe Materialverständnis und der von seinem Sohn Willi von Essen als Corona-Projekt angeschaffte 3-D-Drucker brachten ihn darauf, etwas besser zu machen als den State of the Art der Prothesentechnik.
Individualität und Persönlichkeit
„Kannst Du nicht auch einen Finger drucken?“, fragte Stefan von Essen seinen Sohn. Konnte er – und das war der Startpunkt für das neue innovative und patentierte Verfahren und für das Unternehmen. Die Lifelike Prosthetics GmbH fertigt heute Prothesen, vom Finger über Hände bis zum ganzen Unterarm, die dem ursprünglichen zum Verwechseln ähnlich sehen. Erreicht wird das über 3-D-Scan, Spiegelung und Digitalisierung der Daten, Herstellung einer Gussform und Erzeugung eines Überzugs aus Spezial-Silikon. Bereits sechs Patente haben die von Essens im Zusammenhang mit der Prothetik angemeldet.
Das bisherige Vorgehen, die Prothesen aus HTV-Silikon zu modellieren, ist wesentlich aufwändiger und hat den Nachteil, nicht reproduzierbar zu sein. Bei Lifelike Prosthetics ist ein individueller Ersatz nach natürlichem Verschleiß schnell lieferbar. Langzeitstudien fehlen zwar bislang, aber für das hautähnliche Material der Silikonüberzüge wird mit einer Haltbarkeit von einem Jahr gerechnet. Für die Herstellung der Silikon-Rohlinge ist Thomas Pommerehnke zuständig. Mittels 3-D-Druck können vier bis sechs Formen über Nacht erzeugt werden, sichere Datenanbindung ist inklusive.
Farben nach Maß
Besonders ist auch die Farbgebung, statt der üblichen fünf Farben wird in Luckenwalde mit 18 Farben nach einem kalibrierten System gearbeitet. Per Airbrush wird mit mehreren transluzenten Schichten ein lebensnahes Hautbild hergestellt. Verantwortlich dafür ist „Farbfee“ Marlena Vasquez, die sich dabei auf gedrucktes Fotomaterial der Original-Körperteile stützen kann. Das I-Tüpfelchen sind die aus Acrylmaterial gefertigten Fingernägel.
Der ursprüngliche Plan war, ein kleines Familienunternehmen mit Vater und Sohn zu gründen. Doch schon beim ersten Auftritt bei einer Fachmesse in Leipzig im Mai letzten Jahres zeigte sich, dass Lifelike Prosthetics einen Nerv getroffen hatte. Heute beschäftigt das schließlich im August 2024 gegründete Unternehmen acht Mitarbeitende, neben bereits akquirierten Fachleuten sollen nach Bedarf Quereinsteiger angelernt werden, die keine spezielle Ausbildung mitbringen müssen. Perspektivisch sollen auch Personen mit Einschränkung eingestellt werden.
Vertrieb mit Fachpartnern
Mit dem Umzug in die ehemalige Papptellerfabrik in der Luckenwalder Bahnhofstraße steht nun auch genügend Fläche zur Verfügung, optional kann die Rohling-Herstellung teilautomatisiert werden. Ein deutschlandweites Vertriebsnetz mit Sanitätshäusern als Partnern ist im Aufbau. Aus Rostock und Berlin gibt es gute Resonanzen für die ortsunabhängige Versorgung. Eine Ausweitung auf Europa ist denkbar, denn Anfragen aus verschiedenen Regionen liegen vor.
Mit der Marketing-Kampagne „So echt wie Du“, bei der Probanden sich selbst umarmen, soll künftig für die lebensechten Prothesen geworben werden. Gleichzeitig wird die Produktpalette erweitert, Füße und Unterschenkel, bewegliche Hände oder myoelektrische Prothesen sind nicht nur Zukunftsmusik. Schon jetzt werden die Überzüge auf bewegten Prothesen auf Dauerbelastung geprüft, die Ergebnisse sind vielversprechend.
Therapie und Forschung
Das Unternehmen verfolgt in der Prothetik einen ganzheitlichen Ansatz, deshalb arbeiten die Gründer auch mit Forschungseinrichtungen zusammen. In Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer Institut wird an der sensorischen Rückmeldung von Prothesen geforscht. Dabei sollen Druck- und Temperatursensoren im Handschuh definierte Signale an den Unterarm senden. Bei der künftigen Kooperation mit der Uniklinik Aachen geht es unteranderem um neurobiologische Prozesse nach Amputationen. Kann die Prothese als Ersatz für die Spiegeltherapie Phantomschmerzen verringern? Wie bringe ich Patienten dazu, die Prothese als eigen anzunehmen? Die Voruntersuchungen haben dabei mit messbaren Ergebnissen eine klare Tendenz belegt.
Lifelike Prosthetics wurde durch das Startup Center der Technischen Hochschule (TH) Wildau gefördert und hat 2024 beim Technologie.Transfer.Tag. der TH Brandenburg sowohl den Innovations-Award als auch den Publikumspreis gewonnen. In Teltow-Fläming fühlen sich Stefan und Willi von Essen heimisch, hier wollen sie die Wertschöpfung ansiedeln und den Technologiestandort stärken.










Text und Bilder: gb-design Gerald Bornschein | Video: teltOwkanal
Web: Lifelike Prosthetics GmbH
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