Prof. Dr. Igel präsentiert das Fußballspiel der Roboter

Künstliche Intelligenz und Klimaschutz

Wirtschaftswoche TF wirft mit zwei Impuls-Vorträgen einen Blick in die Zukunft

Die Wirtschaftswoche Teltow-Fläming ist erfolgreich gestartet. Dezernent Siegmund Trebschuh dankte den Gästen, dass sie der Einladung zur Eröffnung gefolgt sind. Nachdem der Landkreis der Bevölkerung geholfen habe, durch die Corona-Pandemie zu kommen, sei es an der Zeit nach vorn zu blicken. Entsprechend lautet das aktive Motto „Teltow-Fläming – wir gestalten die Zukunft“. Ein Anspruch, den der Rang 24 aller Landkreise und kreisfreien Städte Deutschlands beim Focus-Money-Ranking 2020 eindrucksvoll belegt.

Dezernent Siegmund Trebschuh begrüßt die Gäste des Abends

Nach der Präsentation des Imagefilms über den Landkreis, der ursprünglich ein Jahr zuvor Premiere haben sollte, übernahm es Landrätin Kornelia Wehlan bereits zum achten Mal, die Wirtschaftswoche zu eröffnen. Die Zukunft sei immer ein Kind der Gegenwart und der Vergangenheit, betonte sie, und es komme darauf an, rechtzeitig die Zeichen der Zeit zu erkennen. Der Landkreis werde alles dafür tun, weiter „die Nummer 1 im Osten“ zu bleiben.

Neben der Freude über neue Ansiedlungen in den Wachstumskernen und eine Arbeitslosenzahl deutlich unter dem Bundesdurchschnitt gelte es, weiter Offenheit gegenüber Neuem beizubehalten, den Ideenreichtum und die Risikobereitschaft der Unternehmen zu fördern. Der Landkreis unterstützt die erforderliche Strukturentwicklung. Dazu zählen der Breitbandausbau TF, für den am 25. November der 1. Spatenstich erfolgt, der Öffentliche Nahverkehr, bei dem gerade im ländlichen Raum noch gut zu tun sei, aber auch Unternehmensgründungen und Fachkräftesicherung. Die Wirtschaftswoche werde in dieser Hinsicht tolle Impulse geben.

Landrätin Kornelia Wehlan eröffnet die Wirtschaftswoche
Prof. Dr. Igel gibt Impulse zum Thema KI

Der erste kam im Anschluss von Prof. Dr. Christoph Igel, der bereits seit den 1990-er Jahren zum Thema natürliche und künstliche Intelligenz forscht, unter anderem am Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz. Gerade um den Einsatz von KI, also Künstlicher Intelligenz, im Kontext von Arbeit ging es bei seinem Vortrag „Industrie 5.0“. Dazu stellt er acht Thesen auf, die aus Forschersicht das Verhältnis von KI und Human Ressources (HR) beleuchten.

Als einen zentralen Treiber sieht er die Vernetzung durch das Internet. Bereits heute sind 50 Milliarden Computer aller Art miteinander vernetzt, in 20 Jahren werde es ein Zehnfaches sein. Seit 2012 übersteigt die Menge der digitalen Daten kontinuierlich die der analogen. Dazu kommt die Kombination innovativer Elemente durch KI. Noch stecken wir in „einer frühkindlichen Entwicklungsphase“ bei der Transition in eine fluide, nichtphysische Welt, doch die Diffusion in die Gesellschaft ist schon Thema auf höchster politischer Ebene. Das Stichwort „Digitalität“ beschreibt dabei die Effekte auf den Menschen. Dazu zählen Werteveränderungen wie die zunehmende Copy-Paste-Mentalität oder der umfassende Glaube an Algorithmen. Als Wissenschaftler findet er „den Übergang vom Humanismus zum Dataismus“ zwar cool, aber als Mensch „zerreißt es mich fast“, sagt Christoph Igel und bedauert den Verlust der Relevanz von wissenschaftlicher Erkenntnis.

Seit 2015 sei KI das neue „Normal“, nach der Maschinenlesbarkeit geht es in der zweiten Welle um maschinenverstehbare Daten. Während Philosophen eine menschengleiche, gottähnliche „starke KI“ beschreiben, dominiert in der Realität die durch Mathematiker bestimmte „schwache KI“, die sich durch spezialisierte Fähigkeiten auszeichnet.

Also Experten- gegen Alltagsintelligenz, KI kann eher einen Schachweltmeister besiegen als einen Witz verstehen. Als Beispiel zeigt er Videoausschnitte von einem Fußballspiel der weltbesten Robotermannschaften, deren nicht sehr human wirkende Anstrengungen das Publikum unwillkürlich zum Lachen bringen.

Prof. Dr. Igel präsentiert das Fußballspiel der Roboter

Dennoch werde sich der Arbeitsmarkt durch KI ändern, Prognosen in den USA sehen für 47 Prozent der Jobs über alle Branchen eine hohe „Substitutionswahrscheinlichkeit“ bis 2030. Auch in Deutschland seien ähnliche Probleme zu erwarten, also eine Aufgabe der Politik, nicht nur Förderprogramme für Technik oder Business Cases aufzulegen, sondern auch für Menschen. Neue konkrete Kompetenzen für die „vergessenen Enabler“ müssen entwickelt werden, das Thema HR und Transformation wird ständig komplexer.

In seiner Abschlussthese sieht Igel eine Zukunft für hybride Teams von Mensch und Maschine. Was er selbst in China am Beispiel der kombinierten Tätigkeit von Lehrer und KI in der Schulbildung erforschen konnte, empfiehlt er auch für andere Branchen. Wenn der Radiologe nach der eigenen Diagnostik dafür werbe, noch einmal die KI „darüber schauen“ zu lassen, „dann vertrauen Sie ihm“.

Im zweiten Vortrag stellt Prof. Dr. Ekhard Hahn das Konzept der „ECO City international“ in Verbindung mit dem Tandemprojekt Bahnhofsquartier Wünsdorf vor. Es soll dringend erforderliche Antworten auf den Klimawandel, der vor allem in den Städten entschieden wird, und Anregungen zum Handeln geben. Über das Vorhaben wurde bereits mehrfach berichtet, auch über die ablehnende Haltung der Stadt Zossen, ihrer Stadtverordneten und des Ortsbeirats.

Prof. Dr. Hahn stellt die ECO City vor

Prof. Hahn kann die Aufregung darüber nicht nachvollziehen, denn üblicherweise werden in der Lehre wichtige gesellschaftliche Fragen aufgegriffen und durch Lehrende und Studierende Lösungen für die Zukunft entwickelt, die sich bewusst von realen Gegebenheiten lösen. Das sei die „Freiheit der Wissenschaft“, in den Konzepten nicht auf Eigentumsverhältnisse oder auf „fossile Gesetzgebung“ Rücksicht zu nehmen.

Die Ideen und Forschungsergebnisse werden Kommunen kostenfrei zur Verfügung gestellt, ohne sie in zu einer Umsetzung zu zwingen oder irgendwie einzuschränken. Die Studie wirke zudem weit über Wünsdorf hinaus, sie biete Lösungsansätze für die Wende in Energie, Mobilität, Bauwesen, Wasser oder Ernährung. Auch Dezernent Trebschuh betont nochmals, dass durch die Präsentation des Forschungsprojekts im Rahmen der Wirtschaftswoche keinerlei Einfluss auf die Planungshoheit der Stadt Zossen genommen werde.

Prof. Dr. Hahn präsentiert die Ausstellung im Kreishaus

Das Tandemprojekt „Bahnhofsquartier Wünsdorf mit Mobilitäts- und City-Hub“ ist eine Semesterarbeit von Fernstudenten der Hochschule Wismar. Drei unterschiedliche Lösungen wurden entwickelt, zwei davon sind noch bis zum 12. November im Foyer des Kreishauses zu begutachten. Auch die vor Ort präsentierenden Studierenden gehen davon aus, dass ohne Bürgerbeteiligung keine Projektrealisierung möglich wäre.

Ekhard Hahn setzt große Hoffnungen in die Politik der neuen Bundesregierung und der Europäischen Union. Während Olaf Scholz von einem der größten Modernisierungsprozesse seit über 100 Jahren spricht, hat erst jüngst die Europäische Kommission die neue Europäische Bauhaus-Bewegung ins Leben gerufen. Damit sollen neue Wege gefunden werden, Europa bis 2050 klimaneutral werden zu lassen. Mindestens fünf Projekte sollen über den Green Deal finanziert werden, aus Prof. Hahns Sicht bietet sich die Hauptstadt-Region dafür durchaus an, ohne an den ursprünglich vorgesehenen Standort gebunden zu sein.

Interessant wird auch sein, welche Konzepte die Landesregierung Brandenburg zur Umsetzung der Klimastrategien verfolgt. Für das Projekt ECO City soll noch in diesem Jahr eine Machbarkeitsstudie erstellt werden. Für 2022 sei die Gründung einer professionellen handlungsfähigen Gesellschaft geplant, so dass nicht mehr über „Luftschlösser“ geredet werden muss. Die Labor- und Campusstadt soll dann Experimentierbedingungen für Zukunftslösungen bieten, die über Tandemprojekte eine ständige Rückkopplung mit der „realen“ Gesellschaft bietet.

Prof. Dr. Hahn stellt die ECO City vor
Das Publikum applaudiert

Text und Bilder: Gerald Bornschein

Das Ziel des Abends wurde jedenfalls erreicht, freut sich Siegmund Trebschuh, „einen Blick in die Zukunft zu werfen“.

Artikel in der Märkischen Allgemeinen vom 3. November 2021