Die Fachkräftekonferenz der Arbeitsmarktprogramme stellt diverse Wege vor
Die Hälfte der Wirtschaftswoche Teltow-Fläming 2023 ist vorüber, und eine Vielzahl der Veranstaltungen hatte den Fachkräftemangel im Portfolio. Entsprechend gut passt die Fachkräftekonferenz der Arbeitsmarktprogramme in das Programm, erklärt Kerstin Borngräber als Verantwortliche beim Landkreis.
Rainer Grunert, Amtsleiter für Wirtschaftsförderung und Kreisentwicklung, freut sich über die heute vertretene Expertenrunde. Er sieht die Wirtschaftswoche als Informations- und Vernetzungsangebot an die hiesigen Unternehmen. Er weiß natürlich, dass individuelle Lösungen für einzelne Arbeitsplätze gefunden werden müssen, denn „jeder Mensch ist sein eigenes Universum“.
Den Startpunkt setzen Anja Bergner und Silke Bigalke vom Team WFBB Arbeit der Wirtschaftsförderung Land Brandenburg GmbH mit einem Überblick über die derzeitige Statistik. Schon rein rechnerisch kann es nicht gelingen, alle offenen Ausbildungsstellen zu besetzen, denn die Zahl der Schulabgänger ist in den vergangenen Jahren um 40 Prozent gesunken. Noch schlechter sieht es im Bereich der beruflichen Schulen aus, hier sank die Absolventenzahl um 58 Prozent, von den Verbleibenden verließen mehr als 14 Prozent die Ausbildung ohne Abschluss.
Das speziell für Brandenburg durchgeführte Fachkräftemonitoring zeigt einige Probleme auf, zum Beispiel die Dauerbaustelle betriebliche Mobilität. Zu verzeichnen ist zudem in den letzten zwei Jahren ein Anstieg der Kündigungen durch Arbeitnehmer um 45 Prozent. Hier sollten Arbeitgeber hellhörig werden und ihre Profile besser an die potentiellen Bewerber-Zielgruppen anpassen. Sehr differenziert sind auch die Gründe für internationale Arbeitskräfte, eine Beschäftigung in Deutschland aufzunehmen.
Die WFBB unterstützt das Brandenburger Arbeitsministerium bei der Bergung von Arbeitskräftepotenzialen unter anderem über die Förderung durch ESF+. Verschiedene Förderprogramme richten sich direkt an Unternehmen oder an Projektträger. Das Matching zwischen den Trägern und Unternehmen sieht das Team als eine Kernaufgabe, mit dem Landkreis Teltow-Fläming oder der GAG Klausdorf gGmbH können hierbei gute Erfolge vorgewiesen werden.
Den gemeinsamen Arbeitgeberservice von Arbeitsagentur und Jobcenter Teltow-Fläming vertreten Stefan Herrmann und Anke Lehmann. Bei der gegenwärtigen annähernden Vollbeschäftigung (regionale Arbeitslosenquote 4,6 %) sorgt der Arbeitnehmermarkt dafür, dass die in den Unternehmen Beschäftigten deren größte Chance sind. Dem kommt das neue Qualifizierungs-Chancen-Gesetz entgegen, das feste Fördersätze und geringere Wartezeiten umfasst.
Auch die „Berufsberatung im Erwerbsleben“ nimmt sich dieses Themas an. Um Rest-Potenziale zu heben und jedem Bewerber eine Chance zu geben, bieten sich verschiedene Fördermöglichkeiten an. Durch den von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil versprochenen Integrationsturbo sollen auch Migranten schneller in Arbeit kommen. Das Sprachniveau A2 ist sicher kein perfektes Deutsch, dennoch sollten Unternehmen für entsprechende Bewerber offen sein, ob mit Probearbeiten oder Eingliederungszuschuss. Die meisten Problemlagen sind im Betrieb besser zu lösen, der Einzelfall ist dabei inzwischen tägliches Geschäft.
Seit einem Jahr läuft die neue Förderperiode der Integrationsbegleitung, die Sven Wadefuhl stellvertretend präsentiert. Insgesamt 78 Teilnehmende im Alter zwischen 18 und 63 Jahren mit unterschiedlichsten persönlichen und gesundheitlichen Voraussetzungen konnten in die Betreuung aufgenommen werden. Ziel ist letztlich die Erschließung der Arbeitskraft für Unternehmen, doch dabei unterstützen diverse Begleit-Module. Exemplarisch sei hier die Teilnahme am Stadtradeln 2023 genannt, bei der 13 Frauen und Männer insgesamt 1570 Kilometer zurücklegten.
Auch wenn es jetzt „Gründen in Brandenburg“ heißt, die Inhalte aus 22 Jahren Lotsendienst in Teltow-Fläming sind geblieben, versichert Projektverantwortliche Steffi Weit. Auch dieses Projekt, das die Gründung in die klassische Selbstständigkeit unterstützt, läuft seit einem Jahr. Von den 92 Teilnehmenden haben 42 bereits erfolgreich gegründet. „Ich arbeite mit Menschen, die etwas wollen.“, freut sie sich. Dass die Frauenquote bei 52 Prozent liegt, ist ein Steckenpferd von Frau Weit. „Frauen gründen anders als Männer“ – und haben oft schlechteren Zugang zu Finanzierungen.
Als ein Best-Practice-Beispiel stellt sie Thiemo Schleicher von der Camperscheune GbR vor. Der ausgebildete Fluggerätemechaniker hatte in seinem Job keine Perspektiven gesehen und sich mit Leidenschaft und gemeinsam mit einem Freund selbstständig gemacht. Der individuelle ökologische Ausbau von Wohnmobilen wurde damals von der IHK Potsdam positiv bewertet. Doch mit der Einstellung eines weiteren Mitarbeiters taten sich plötzlich Probleme auf, die ausgeführten Tischler- und Sanitärarbeiten seien meisterpflichtige Tätigkeiten. Aus dem Publikum kam daraufhin ein spontanes Hilfsangebot.
Den Potsdamer Berufsbildungscampus Oberlinhaus stellt Schulleiterin Annett Wiesner vor. Der Campus verbindet Berufsbildungswerk und berufliche Schulen inklusive Internatsmöglichkeit für junge Menschen mit und ohne Behinderung. Das selbstbestimmte Leben und die Teilhabe wird hier besonders gefördert. Rund 65 Prozent der Lernenden werden nach dem Abschluss in eine Arbeit vermittelt. Es gibt verschiedene Kooperationsmöglichkeiten für Unternehmen wie längere Praktika oder eine Verzahnte Ausbildung (VAmB), bei der Azubis zwischen sechs und 18 Monaten im Betrieb sind.
Julia Stadelmayer vom Diakonischen Werk Teltow-Fläming präsentiert das gemeinsam mit der Kreishandwerkerschaft und dem Ausbildungsverbund Teltow e.V. durchgeführte Projekt „Chancen Ergreifen – Beruflich Ankommen“, das die Integration von Geflüchteten in den Arbeitsmarkt thematisiert. Die Zahl der dafür offenen Unternehmen wächst, Unterstützung gibt es bei Sprachkursen oder Beratung zu realistischen Vorstellungen. Im ersten Projektjahr wurden 268 Teilnehmende betreut.
Einer davon ist Khalil Barkal aus Syrien. In seiner Heimat war er u. a. als Englischlehrer tätig. Seit acht Jahren ist er in Deutschland, hat die Sprache zunächst autodidaktisch erlernt, später einen Sprachkurs belegt und erfolgreich abgeschlossen. Seit 2016 ist er als Sprachmittler bei der Diakonie beschäftigt und hat 2020 ein berufsbegleitendes Studium aufgenommen, im Januar wird er seine Bachelorarbeit abgeben. Die vorbildliche Integration wurde vor zwei Jahren mit einem deutschen Pass belohnt, worauf er sehr stolz ist.
Zum Abschluss des Abends stellt Bianca Hesse von der IHK Potsdam Möglichkeiten vor, Berufserfahrungen und Kompetenzen validieren zu lassen. Im Projekt ValiKom bewerten Fachexperten aus Unternehmen oder Prüfungskommissionen die fachlichen Fähigkeiten der Bewerber in praxisnahen Aufgaben. Das anerkannte Zertifikat bescheinigt eine volle bzw. teilweise Gleichwertigkeit zum Berufsabschluss.
Text und Bilder: Gerald Bornschein