Die Fläminger Tourismusgespräche zeigen offene Potenziale auf
Die diesjährigen Fläminger Tourismusgespräche im Rahmen der Wirtschaftswoche Teltow-Fläming wurden vom Tourismusverband Fläming e. V mit Unterstützung der Wirtschaftsförderung des Landkreises Teltow-Fläming und dem Ostdeutschen Sparkassenverband organisiert. Der Geschäftsführer des Tourismusverbands Daniel Sebastian Menzel kündigt an, dass statt Frontalbeschallung ein Dialogformat zu erwarten ist. Thema am Vormittag wird die Inklusion sein, was laut Stefanie Seifert vom Landkreis im Hinblick auf den Arbeits- und Fachkräftemangel im Tourismus Impulse und Denkanstöße geben soll.
Wirtschaftsförderer Marcel Penquitt hebt die „Arbeitgebermarke Fläming“ als ein Instrument für die touristischen Betriebe und die bisherigen Investitionen in die Flaeming-Skate hervor. Dass 70 Prozent aller Deutschen für das nächste Jahr einen Urlaub planen, von denen die Mehrzahl im Inland bleiben will, mache Hoffnung. Der gastgebende Trebbiner Bürgermeister Ronny Haase heißt die Teilnehmenden willkommen und verweist auf den Ortsteil Blankensee, der als Highlight vorwiegend vom Tourismus lebt. Auch den Tagungsort Kulturscheune betreibt die Stadt als Objekt für den Nahtourismus.
Ute Wrstala vom Tourismusverband sieht in der Inklusion nicht nur Potenzial für den Arbeitsmarkt, sondern auch eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung, während Dezernent Siegmund Trebschuh Menschen mit Behinderung als Bereicherung sieht, die auch das Team-Verhalten beeinflussen. Daniel Menzel erhofft sich zudem ein beidseitig besseres Verständnis zwischen den Betrieben und eingeschränkten Beschäftigten.
Steffi Randig vom Landkreis Potsdam-Mittelmark betont, dass viele Menschen mit Einschränkungen arbeiten wollen, aber gleichzeitig die Bandbreite der Behinderungen sehr groß sei. Einer hohen Motivation stünden hohe Hürden entgegen, diese Menschen als Chance und Bereicherung zu sehen, sei eine Haltungsfrage.
Ihre Erfahrung als Diplom-Psychologin bringt Sonja Massow in ihre Tätigkeit bei der Union Sozialer Einrichtungen (USE gGmbH) ein. In der Werkstatt der USE wird vor allem die berufliche Teilhabe von Menschen mit geistigen und psychischen Krankheiten gefördert. In dem geschützten Rahmen haben sie einen Platz zum Ankommen und erleben persönliche Erfolge. Rund 100 Beschäftigte werden in Kleinmachnow und in Teltow in acht Arbeitsbereichen tätig.
Neben der Beziehungsarbeit steht das Erkennen von Kompetenzen auf der Tagesordnung, auf Wunsch erfolgt über ein Übergangsmanagement und Jobcoaches auch die Orientierung in den Arbeitsmarkt. Gute Erfahrungen werden auch mit betriebsintegrierten Arbeitsplätzen gesammelt, bei denen durch Unternehmen geförderte Nischentätigkeiten in der Werkstatt erfolgen. Sie weist auf den bundesweiten Aktionstag „Schichtwechsel“ am 10. Oktober 2024 hin, bei dem Menschen mit und ohne Behinderungen für einen Tag ihren Arbeitsplatz tauschen.
Ganz persönliche Erfahrungen kann Udo Sist vom AWO Bezirksverband Potsdam e.V. vermitteln, denn als Rollstuhlfahrer hat er seit der Kindheit mit Barrieren zu kämpfen. Und so ist er in seiner Funktion als Berater für inklusives Arbeiten die Idealbesetzung. Das von der Aktion Mensch unterstützte Programm bietet niedrigschwellige Angebote für alle Lebensbereiche, als „Tinder für den Arbeitsmarkt“ vermittelt er Coachings und sucht nach Arbeitgebern. Leider gibt es mehr Klienten als bereitwillige Unternehmen, beklagt er. Natürlich sei Barrierefreiheit zunächst teuer und aufwändig, aber sie bringt dauerhafte Bequemlichkeit für alle.
Digital zugeschaltet wird im Anschluss Holger Dieterich vom Sozialhelden e.V., um über Ableismus und Inklusion zu sprechen. Ersteres ist vom englischen „able“ abgeleitet und eine Form der Diskriminierung, bei der ein Mensch auf seine Fähigkeiten reduziert und schnell in eine Stereotypen-Schublade gesteckt wird. Doch Inklusion ist ein Menschenrecht und keine Charity, daher räumt er mit einigen Vorurteilen zu Menschen mit Behinderung im Arbeitsmarkt auf.
Als Inklusions-Tipps gibt Dieterich Unternehmen mit, Angaben zur Barrierefreiheit zu veröffentlichen, konkrete Ansprechpartner zu benennen und Bedürfnisse vorher zu erfragen. „Einfach mal anfangen!“, rät er. Außerdem können sich Betriebe selbst auf der in 33 Sprachen verfügbaren Plattform wheelmap.org anmelden, ihre Daten einpflegen und verlinken. Auf der von den Sozialhelden betriebenen Karte sind weltweit über 3,2 Millionen rollstuhlgerechte Orte vermerkt.
Als Praxisbeispiel für ein erfolgreiches Inklusionsunternehmen stellt Geschäftsführer Heiko Terno die AWO Reha-Gut Kemlitz gGmbH vor. Hier wird nicht nur das Märkische Kartoffelschwein durch Menschen mit Behinderungen gefüttert, auch im Ferien- und Freizeitzentrum mit über 90 Betten sind gemischte Teams im Einsatz. Für den sonderpädagogischen Bedarf sind zwei Mitarbeiter speziell verantwortlich. Die gute Anbindung an den ÖPNV ist hier eine notwendige Basis für die Inklusion.
Der Nachmittag stand unter Thema „Einheimische Bevölkerung“, obwohl der Tourismusverband ja eigentlich für Gäste zuständig sei, wie Menzel bemerkt. Doch ohne die Ortsansässigen mitzunehmen, funktioniert Tourismus nicht, das verdeutlicht auch eine deutschlandweite Studie zum Thema Tourismus-Akzeptanz, die Juliane Reich von der inspektour GmbH aus Hamburg vorstellt. Das Land Brandenburg landet bei der von der Hochschule Westküste erstellten Befragung auf den hinteren Plätzen.
Tourismus wird zwar als Wirtschafts- und Wertschöpfungsfaktor wahrgenommen, jedoch nicht als Treiber der eigenen Lebensqualität. Hier besteht hoher Aufklärungs- und Sensibilisierungsbedarf, zumal eine noch nicht veröffentlichte Befragung von 2023 zeigt, dass die gleichgültige Mitte immer stärker wird und die Akzeptanz weiter schwindet.
In Gruppenarbeiten konnten die Teilnehmer der Veranstaltung dann ihre eigenen Erfahrungen und Wünsche für ein besseres Miteinander von Tourismus und Bevölkerung einbringen. Mit der sogenannten Kopfstand- bzw.- Umkehrmethode kamen die Teilnehmenden durch andere Blickwinkel zu neuen Erkenntnissen, insbesondere für die exemplarischen Zielgruppen der Azubis und der Einheimischen mit Einschränkungen.
Viele konstruktive Vorschläge kamen zusammen, die jetzt aber nicht in der Schublade verschwinden, sondern zum Beispiel vom Tourismusverband Fläming in den stetigen Wissenstransfer mit Kommunen und Betrieben getragen und weiterentwickelt werden.
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Text und Bilder: Gerald Bornschein | Video: teltOwkanal